Stellungnahme zur Verbreitung extremistischer Inhalte auf Social-Media-Kanälen

30.06.2023 | Extremismusprävention und Deradikalisierung, News, Stellungnahmen

Die stetig wachsende Gefahr, die von der Verbreitung extremistischer Inhalte auf Social-Media-Kanälen und speziell von TikTok ausgeht, stellt eine der Herausforderungen dar, mit der sich die IGGÖ aktuell vermehrt konfrontiert sieht.

Theologische Diskurse unterscheiden sich vollkommen in der Art und Weise, wie Debatten von bestimmten – sich selbst als solche bezeichnenden – „Predigern“ im Internet geführt werden, denn sie kennzeichnen sich in der Regel durch eine wissenschaftliche und detailorientierte Herangehensweise, was die Plattformen nicht zulassen, weil sie ausschließlich davon leben, komplexe Inhalte undifferenziert, verkürzt und in möglichst amüsanter oder emotional aufgeladener Stimmung zu verbreitet und dadurch ein großes und vor allem junges Publikum anzusprechen. Authentizität oder gar Kontextualisierung und Differenzierung werden bewusst ausgeklammert. Die relevanten Kanäle haben es zudem verstanden, die Lebenswelt ihrer Zielgruppe in ihre Onlineauftritte zu inkludieren. Eines der beliebtesten Formate in diesem Zusammenhang sind Frage-Antwort-Runden, wobei die Antworten auf zumeist komplexe Fragen innerhalb weniger Sekunden oder Minuten erfolgt und die Bedürfnisse der Zielgruppe so sehr schnell gestillt werden, ohne bei ihnen einen Reflexionsprozess in Gang zu setzen.

Alternative Narrative zu extremistischem Content anzubieten, die eine tatsächliche Konkurrenz zu den Kanälen aktiver Player darstellen, erweist sich für verantwortungsbewussten islamische Institutionen als schwierig, denn als solche stellt die IGGÖ den Anspruch an sich selbst, Projekte für Jugendliche pädagogisch und wissenschaftlich begleitet zu wissen. Nichtsdestotrotz hat sich die IGGÖ in den vergangenen Jahren dem Ausbau ihres Social-Media-Angebots und der Erstellung unterschiedlicher Formate im Online- als auch im Offline-Bereich gewidmet.

Die IGGÖ weiß um die Bedeutung religiöser Bildung bei der Immunisierung gegen extremistisches Gedankengut und die Ingangsetzung von Reflexionsprozessen. Dies erfolgt im Rahmen des islamischen Religionsunterrichts, in dem religiöse Inhalte authentisch und pädagogisch fundiert vermittelt werden.

Die Mitarbeiter*innen der Kontaktstelle für Extremismusprävention und Deradikalisierung bzw. auch die Gefängnisseelsorger*innen der IGGÖ sind in zahlreichen Projekten involviert, die zum Ziel haben den extremistischen Narrativen im Internet Alternativen gegenüberzustellen und mit Jugendlichen und jungen Erwachsen, die sich mit diesen Narrativen identifizieren, zu diskutieren. Einige Beispiele dafür sind die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle Extremismus, den Schulprojekten „Extremismusprävention macht Schule“ und „Botschafter für den Zusammenhalt“, der Präventionsclub in Justizanstalten, der Verein Neustart, das Projekt „Jamal al Khatib“ des Vereins TURN oder das Zurückgreifen auf Online-Formate wie „Bro & Kontra“ oder „Cop & Che“.

Die Kontaktstelle für Extremismusprävention und Deradikalisierung der IGGÖ fungiert zudem als Anlaufstelle für Betroffene aus allen Teilen der Gesellschaft und ist Ansprechpartnerin für Moscheepersonal, Eltern, Lehrpersonal, Freund*innen oder Personen, die über ihr eigenes Umfeld Bescheid wissen möchten. In Einzelberatungen oder auch in Gruppengesprächen hilft sie bei der Einordnung und Bewertung bestimmter Situationen, Aussagen, Gruppen und Symbole. 

Als Gesamtgesellschaft sind wir alle gefragt, unsere Rolle im digitalen Raum ernster zu nehmen und mehr Know-How über dieses Arbeitsfeld zu erlangen. Das betrifft natürlich auch verantwortungsbewusste Persönlichkeiten und Institutionen der religiösen Communities. Um auf bestehende Herausforderungen angemessen antworten zu können, ist die Aufstockung der derzeit vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen der IGGÖ jedoch unumgänglich. In diesem Bereich tätige politische Verantwortungsträger*innen sind gut beraten, dem Internet als immer wichtiger werdende Lebenswelt der jungen Generationen und der Förderung von Projekten, die Know-How über den digitalen Raum bzw. über Gefahren, die die Nutzung von Sozialen Medien bergen kann sowie solchen, die alternativen Content zu extremistischen Narrativen produzieren, mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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