Botschaft des Präsidenten

03.04.2020 | Coronakrise, News

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Geschwister!

Ich möchte mich heute an Sie wenden, um Ihnen einerseits einen Einblick in die von der Islamischen Glaubensgemeinschaft getroffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Coronakrise zu gewähren und andererseits, um einen vorsichtigen Blick in die Zukunft zu wagen.

Wie die meisten von Ihnen ja wissen, hat unsere Glaubensgemeinschaft als erste Religionsgemeinschaft überhaupt bereits vor den ersten Regierungserlässen Maßnahmen zum Schutz unserer Gemeindemitglieder und Mitmenschen getroffen. Am 10. März haben wir verfügt, die Freitagsgebete in allen österreichischen Moscheen bis auf Weiteres auszusetzen. Einige Tage später mussten dann auch die Gemeinschaftsgebete und generell alle Aktivitäten in unseren Einrichtungen eingestellt werden. Wir haben in dieser Angelegenheit im Rahmen unserer Möglichkeiten wirklich sehr schnell reagiert und, wie sich bald herausgestellt hat, auch die richtigen Entscheidungen getroffen. Denn der sorgsame Umgang mit unserer Gesundheit und der Schutz nicht nur unseres eigenen Lebens, sondern auch jenes unserer Mitmenschen, sind auch grundlegende islamische Gebote.

Zur Unterstützung unserer Kultusgemeinden, Moscheegemeinden und Fachvereine haben wir einen detaillierten Maßnahmenkatalog veröffentlicht, der nicht nur die notwendigen Beschränkungen erläutert, sondern auch konkrete Handlungsempfehlungen bezüglich weiterer Schutzmaßnahmen sowie der spirituellen Betreuung ihrer Mitglieder beinhaltet. Die Aufklärung über Schutz- und Hygienebestimmungen erfolgte dabei auf unterschiedlichen Sprachen.

Weil Krankenbesuche und seelsorgerische Tätigkeiten generell derzeit nicht mehr mit persönlichem Kontakt erfolgen dürfen, haben wir eine mehrsprachige Seelsorge über Telefon sowie eine Onlineberatung eingerichtet, um unseren Mitmenschen in Zeiten vermehrter psychischer Belastung weiterhin beistehen zu können.

Wir versuchen darüber hinaus, trotz räumlicher Distanz über unsere Online Kanäle mit Ihnen in Verbindung zu bleiben und die Gemeinschaft weiterhin zu pflegen. Der Austausch von Erfahrungen und Vorschlägen von Geschwistern, die die Zeit daheim nützlich verbringen oder aber auch in sogenannten systemrelevanten Berufen weiterhin aktiv sind, soll Sie in dieser schweren Zeit ermutigen. Mit regelmäßigen Kurzvorträgen, Predigten, Qur’an-Rezitationen und gemeinsamen Bittgebeten möchten wir Sie gemeinsam mit unseren Islamischen ReligionslehrerInnen auch spirituell durch diese Wochen begleiten.
Sie können alle Initiativen und Angebote auf unserer Homepage oder unseren Social Media Kanälen nachlesen und verfolgen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus und die damit verbundenen Beschränkungen und Vorschriften unterstützen wir als Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich selbstverständlich uneingeschränkt. Und auch die muslimische Bevölkerung beweist Tag für Tag ihre Kooperationsbereitschaft. Dafür bin ich dankbar.

Es freut mich sehr, dass zahlreiche Moscheeführende gemeinden, muslimische Vereine, Einzelpersonen, Jugendliche und Familien sich in ihren Bundesländern und Städten in Hilfsprojekten zusammengeschlossen haben und beispielsweise in der Nachbarschaftshilfe sehr aktiv sind, um ältere und bedürftige Menschen zu unterstützen. Auch arbeiten viele Musliminnen und Muslime in gerade jenen Bereichen, die aktuell ganz besonders wichtig für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens und die Versorgungssicherheit in unserem Land sind.

Für gerade diese Personen an der vordersten Front, für den Erhalt unserer Gesundheitssystems und für das Wohlergehen all unserer Mitmenschen gilt es, uns auch weiterhin ausnahmslos an die vorgegebenen Maßnahmen zu halten. Vielleicht haben Sie schon gehört, dass sogar der islamische Gebetsruf anders als gewohnt gerufen wird: Anstatt Hayyaal essalah und hayyalel felah hören wir esselatu fi buyutikum. Also die Aufforderung: Betet zu Hause! Zuhause bleiben, Abstand halten, Hygienemaßnahmen befolgen. Nur so schützen wir die gesamte Bevölkerung und können, so Gott will, diese schwierige Situation so schnell wie möglich überstehen.

Noch ist nicht abzusehen, inwiefern sich unsere Gesellschaft, unsere Welt in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln werden. Diese Erfahrungen könnten dazu führen, dass sich unsere Lebensrealität verändern wird, wir uns auf neue Gegebenheiten einstellen werden müssen. Vielleicht ist dies auch eine Chance für unsere Gesellschaft. Jedenfalls aber ist es eine Chance für jeden Einzelnen von uns, seine Gewohnheiten zu überdenken, zu ändern und von den Erfahrungen zu profitieren. „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt“, sagte schon Mahatma Ghandi.

Ja, meine Damen und Herren, oft neigen wir dazu, auf unseren Schöpfer und seine zahlreichen Segnungen zu vergessen, wenn es uns gut geht. Geschehnissen und Krisen in weit entfernten Ländern berühren uns in der Regel nur wenig. Wir empfinden unsere Lebensweise, unseren Komfort, unsere Gesundheit als selbstverständlich. Niemand von uns hätte noch vor ein paar Wochen gedacht, dass uns Bilder wie jene aus China auch vor unserer eigenen Haustür erreichen könnten. Aber nun stecken wir plötzlich in einer globalen Krise und absoluten Ausnahmesituation. Ja, unser Alltag hat sich komplett verändert. Plötzlich befinden wir uns in existenziellen Nöten, verlieren die Hoffnung und verzweifeln. Aber: gerade in schwierigen Zeiten heißt es, die Hoffnung nicht aufzugeben. Im Gegenteil, wir sollten uns den Herausforderungen verantwortungsvoll mit der nötigen Geduld und Demut stellen, uns bemühen, einen Beitrag im Rahmen unserer Möglichkeiten leisten.

Es ist mir vollkommen bewusst, dass diese Krise für viele von Ihnen weitreichende Folgen hat. Jeder von uns ist auf die eine oder andere Art betroffen. Sei es, weil sie selbst oder Angehörige erkranken, die Kinderbetreuung nicht sichergestellt ist, sie ihren Job verloren haben oder ihnen als Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Geschäftsgrundlage verloren gegangen ist. Immer mehr Menschen melden sich bei uns, weil sie vor nicht zu bewältigenden Herausforderungen stehen, sie nicht wissen, wie sie Lebensmittel, Stromrechnung oder die nächste Miete bezahlen sollen.

Gleichzeitig treffen die gesundheitlich notwendigen Beschränkungen unsere Moscheen sehr hart, denn durch das Versammlungsverbot fallen die üblichen Spendensammlungen bei den täglichen Gebeten und vor allem den Freitagsgebeten, die einen maßgeblichen Teil ihrer Einnahmequellen darstellen, jetzt ersatzlos weg. Das führt für viele Einrichtungen dazu, dass Mieten, monatliche Erhaltungs- und Betriebskosten, Kreditraten, Lohnkosten der Imame und des Personals nicht mehr beglichen werden können.

Jetzt heißt es also mehr denn je, als Ummah zusammen zu halten! Die Islamische Glaubensgemeinschaft ruft daher eine Spendensammlung ins Leben, denn es ist unsere gemeinsame Pflicht, einerseits jenen Mitmenschen beizustehen, die nun in Not geraten sind, andererseits aber auch den Erhalt unserer Moscheen zu sichern, die die Generationen vor uns mit großer Mühe und teilweise mit ihren eigenen Händen aufgebaut haben. Nähere Informationen dazu hoffen wir Ihnen bereits in den nächsten zukommen zu lassen. Bitte folgen Sie uns.

Abschließend erlauben Sie mir bitte noch eine Anmerkung: Ich weiß, dass viele gerne hören würden, dass die Beschränkungen die Moscheen und Gebetshäuser betreffend so bald wie möglich enden mögen. Vor allem angesichts des bevorstehenden Fastenmonats Ramadan. Den Erlässen der Bundesregierung folgend, mussten wir unsere Maßnahmen um weitere zwei Wochen bis 13. April verlängern. Auch unser weiteres Vorgehen wird sich alternativlos an den Vorgaben der Gesundheitsbehörden und Regierung orientieren müssen. Bleiben wir aber zuversichtlich. Egal wie es kommt, nichts geschieht ohne Grund. Wie heißt es im Qur’an? “Nichts kann uns treffen außer dem, was Allah uns bestimmt hat. Er ist unser Beschützer. Und auf Allah sollen die Gläubigen vertrauen.”

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute und vor allem Gesundheit, Geduld und Zuversicht.

Mag. Ümit Vural
Präsident der IGGÖ

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